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Presse
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SÜDWESTPRESSE TOBIAS KNAACK | 14.04.2016
Tübingen
DAS GROSSE KUSCHELN
Über das menschliche Bedürfnis nach Hautkontakt und verschiedene Wege, ihn zu bekommen
Tamara hat so richtig Lust. Matze auch. Seine linke Hand streicht unablässig über ihren Rücken, ihre rechte Hand wandert von seinem linken Knie das Bein rauf und runter. Sanft, ohne großen Druck, ein bisschen verspielt.
Hand an Kopf an Bein an Bauch: Auf Kuschelpartys holen sich Menschen gewollte Berührungen - und geben anderen welche zurück.
Die anderen sitzen daneben. Und gegenüber. Und in einer anderen Ecke. Manche gucken zu den beiden, andere reden. Und wieder andere machen es wie Tamara und Matze: Auch sie haben Lust - richtig Lust auf Kuscheln.
Freitagabend, Sudhaus in Tübingen, Kuschelparty: Knapp 30 Menschen sind gekommen, um unter Anleitung von Maria Schaub zu kuscheln. Manche kommen häufiger, andere ab und an, wieder andere zum ersten Mal. Das Bedürfnis ist - wenn auch unterschiedlich begründet - das gleiche: berühren und berührt werden.
Martin Grunwald weiß um dieses Verlangen. Er ist Haptikforscher an der Uni Leipzig. Das Bedürfnis, berührt zu werden, tragen Menschen von Geburt an in sich: "Nur durch Berührungen wachsen wir. Sie sind ein Wachstumsmotor." Und "Lebensmittel - fehlen Berührungen, kann der Organismus sterben."
Berührungen sind physikalisch betrachtet eine "Deformation der Haut", erklärt Grunwald. Eine Deformation mit faszinierender Wirkung: Der Körper schüttet das Hormon Oxytocin aus. Der Blutdruck sinkt, das Stresshormon Cortisol wird vermindert, Ängste und Schmerzen verblassen. Matzes Übersetzung: "Man sollte mal Vorher-Nachher-Bilder machen. Alle nur so . . ." und zeigt ein beseelt-gesichtsbreites Grinsen.
Die Haut ist das größte Sinnesorgan des Menschen, das Geflecht seiner Rezeptoren entsprechend komplex. Die Forschung des Tastsinns stand lange im Schatten des Sehens und Hörens, sagt Haptikforscher Grunwald. Erst in den vergangenen 20 Jahren hat es einen sprichwörtlichen Sinneswandel gegeben.
Heidi, Beate, Jürgen, Oliver: Viel mehr als Namen wird man im Sudhaus über die Teilnehmer nicht erfahren. Beruf, Wohnort, Familienstand - alles egal. Das gesellschaftliche Lattenmessen, es bleibt vor der Tür. Dahinter stattdessen Sinnliches, teils Spirituelles. Die Leute sollen bei sich sein, sagt Schaub - und bei den anderen im Raum. Auf die Berührung kommt es an, auf die Interaktion mit dem Kuschelpartner.
Maria Schaub führt die Gruppe langsam heran. Tanzen zur Aktivierung, Lockerungsübungen, meditative Sequenzen. Es geht um Einstimmung - und Öffnung. Manchen wie Tamara und Matze, die länger dabei sind, geht es nicht schnell genug. Der Bedarf nach Nähe frisst sie auf. In der Pause legen sie sich mit Beate zu dritt zum Kuscheln.
Tamara, dunkle Haare, schlank, schwarze Sporthose, ist Ende 20, maximal Anfang 30. Matze, grauer Bart, graue Haare, trägt ein gelbes Shirt mit der Aufschrift "Der tut nix, der will nur kuscheln" über dem wohlgeformten Bauch. Jung, alt, weiblich, männlich, erfahren, unerfahren - alles vertreten.
Tamara und Matze kennen sich von vielen Treffen zuvor, sie sind vertraut. Andere lernen sich erst kennen - und alle gehen danach wieder auseinander. Das hat auch mit den "Kuschelregeln" zu tun: Klamotten bleiben an. Berühren von Geschlechtsteilen? Verboten. Küssen auch. Manchmal gebe es natürlich das Gefühl, man könne weitergehen, sagt ein Teilnehmer.
Das Verlangen nach Berührung ist unterschiedlich. Grunwald aber sagt: "Die Mehrheit der Menschen ist berührungsbedürftig." Wenn man körperlich vereinsamt, führt das zu Stimmungsveränderungen. "Wird man nicht ausreichend berührt, kann das zu leichten bis mittelschweren Depressionen führen."
Und dennoch sei das Bedürfnis nach Berührungen und Nähe ohne Sex ein Tabuthema, sagt Grunwald. Zumal in einer Leistungsgesellschaft, die vor allem eines kennt: Stärke. "Sie können eher gestehen, dass sie im Bordell waren als auf einer Kuschelparty", sagt der Forscher. In Tübingen sagen viele, dass sie nur ausgewählten Menschen in ihrem Umfeld vom Besuch der Kuschelparty erzählen würden: "Da wirst du schnell in eine Ecke gestellt." Dabei gehe es um ein weit verbreitetes Verlangen, sagt Grunwald: "Viele möchten mehr kuscheln, als sie zugeben können."
So wie Karin, zierlich, kurze dunkelblonde Haare. Sie ist erst seit einem Dreivierteljahr in Tübingen dabei: "In meinen Beziehungen hat es nur wenig Berührungen und Nähe gegeben." Die letzte Beziehung ist, wie bei vielen hier, ein wenig her - und hat in Karin das Bedürfnis nach Nähe geweckt: "Ich entdecke gerade, wie stark das ist und bin überrascht." Sie müsse sich da, sinnbildlich, herantasten. Für manche geht es darum, überhaupt wieder berührt zu werden, für alle um die Qualität der Berührungen.
Über Hautkontakt erfährt man viel über den anderen - und über sich selbst. Etwa, wann es einem zu weit geht. Dann muss man "Nein" sagen. Das wird geübt: Schaub lässt die Teilnehmer durch den Raum wandern und fragen: "Darf ich dich berühren?" Die Antwort soll eine bestimmte Ablehnung sein. Schaub sagt, dass schon mal Missbrauchsopfer da waren. Für die sei eine Kuschelparty vielleicht eine Möglichkeit, wieder Körperkontakt zulassen zu können. Denn: Es geht um gewollte Berührungen, um Respekt für andere und deren Wünsche.
Es gibt immer mehr Singlehaushalte in Deutschland. Beim letzten Zensus waren es 41 Prozent aller Haushalte - 16,2 Millionen. Eine Kuschelparty spiegele diese Entwicklung ein Stück weit, sagen Teilnehmer in Tübingen. Schaub hat solchen Zulauf, dass sie mittlerweile zwei Termine im Monat anbietet.
Matratzen sind ausgebreitet. Darauf: Heidi und Beate, Jürgen und Oliver, Matze und Tamara - und alle anderen. Eng umschlungen, die Hände an den Beinen, in den Haaren, auf den Schultern anderer. Eine Liegewiese voll frühlingshafter Triebe: streicheln, tasten, fühlen, entdecken. Darf ich dich berühren? Meist lautet die Antwort jetzt: Ja.
Andere holen sich ihre benötigte Dosis an Hautkontakt über Massagen. "Wir haben heute grundsätzlich mehr Angebote für Ersatzkörperlichkeit, etwa eine interessante Zunahme von Wellnessangeboten. Auch die sind körperlicher geworden", sagt Wissenschaftler Martin Grunwald.
Ein Trend, den Dino Sambo vom Deutschen Wellness-Verband bestätigt. Während bei der Kuschelparty Berührungen empfangen und gegeben werden, wollen Kunden von Sambos Wellnesseinrichtung "mal nur empfangen". Viele, zunehmend auch jüngere Menschen, benötigten eine "Auszeit" vom Alltag; zudem äußere sich immer wieder in Gesprächen ein steigendes Bedürfnis nach Nähe, nach "wirklichen Kontakten", sagt Sambo.
"Man kann sich gewisse Reize selber zuführen. Die Befriedigung des Berührungsbedürfnisses geht aber nur über Vollkontakt", sagt Haptikforscher Grunwald. "Manche holen sich eine Katze oder einen Hund. Andere retten sich in Abenteuer, brauchen Adrenalin. Aber das sind Ersatzhandlungen." Ersatzhandlungen, die das menschliche Bedürfnis nach Berührungen nur bedingt oder nur auf Zeit befriedigen.
Ein Teilnehmer der Kuschelparty zeichnet mit dem Finger eine Kurve in die Luft. Sie steigt steil an - die vier Stunden des Tübinger Treffens. Dann fällt sie sachte ab bis auf die Ursprungshöhe - die Zeit bis zur nächsten Party. "Die Berührungen von einem Treffen tragen mich ein, zwei Wochen." Oder wie Wissenschaftler Martin Grunwald sagt: "Lyrik hilft da nicht."
"Auf Kuschelkurs mit Fremden"
von Caroline Messick im Studentenmagazin "Käpsele" hier geht es zum link:
text-kuschelabend-caroline-messick.pdf [1.527 KB]
Tübingen Kuscheln gegen die Einsamkeit Im Tübinger Sudhaus trifft sich monatlich die Kuschelgruppe. Unter der Anleitung von Kuscheltrainerin Maria Schaub wird oft vier Stunden lang ausgiebig gekuschelt und geschmust. Sex ist dabei tabu.
FRIEDERIKE GRUBER | 25.04.2014 Foto: Friederike Gruber - Südwestpresse
Ein großer Raum im dritten Obergeschoss. Matratzen sind in der Mitte des Raumes auf dem Boden platziert. Daneben spenden Teelichter warmes Licht. Auf den Matratzen liegen einander fremde Menschen, die sich noch nie im Leben gesehen haben. Sie haben die Arme umeinander gelegt und kuscheln und das bis zu vier Stunden lang. So ähnlich etwa läuft ein Kuschelabend im Tübinger Sudhaus ab. Obwohl sich die meisten der Leute hier kennen und teilweise schon jahrelang mit dabei sind. Am Anfang eines jeden Kuschelabends gibt es immer eine Vorstellungsphase. Jeder lernt den anderen nur mit Vornamen kennen. Beruf, sozialer Status oder andere persönliche Daten sind unbekannt. Nach der Vorstellungsrunde folgt die „Vorkuschelphase“. So nennt Kuscheltrainerin Maria Schaub die Aufwärmphase, die dazu dient, Hemmnisse bei den Teilnehmern abzubauen. Zur Vorkuschelphase gehören Tanz, „Begegnungsübungen“ oder auch mal eine Körperreise zur Entspannung. Doch nur wer selber mit kuschelt, darf auch an einem „echten“ Kuschelabend teilnehmen. Für die Südwest Presse wurden einzelne Szenen für Fotos nachgestellt. Silke, Marion, Matthias, Reinhard, Christoph, Thomas und Margarete sind teil Pseudonyme, teils die echten Namen der befragten Teilnehmer. Nicht jeder möchte erkannt werden. Manche haben Angst vor dem Gerede der Nachbarn und Kollegen, vor irritierten Blicken. Christoph zum Beispiel erzählt nur vereinzelten Menschen in seiner Umgebung davon. „Die wissen halt nicht, was das ist“, sagt er. Silke möchte nicht aufs Foto. Sie will nicht erkannt werden. „Ich will kein Gerede unter den Nachbarn“, sagt sie. Matthias ist das egal. Er geht recht offensiv mit dem Thema Kuschelabend um. „Ich gehe damit nicht hausieren“, sagt er, „aber wenn mich Freunde fragen, wo warst du Freitagabend, sage ich, dass ich mich mit der Kuschelgruppe getroffen habe.“ „Ich war damals Single.“ Christoph spricht von seiner ersten Begegnung mit der Kuschelgruppe. Er zögert leicht: „Ich habe im Südwestrundfunk davon gehört und gemerkt, dass ich mir so was wünsche,“ beendet er den Satz. Leicht ist es sicher nicht, so offen über seine Bedürfnisse zu sprechen. Christoph hat sich erst Jahre später nach dem Bericht im Radio getraut, die innere Hürde zu überwinden und einen Kuschelabend zu besuchen. Er ist dabei geblieben. Wie Christoph sind auch alle anderen zur Kuschelgruppe gekommen. Alle waren Singles und es fehlte die körperliche Nähe. Als er zwischendurch eine Beziehung hatte, ist Christoph dem Kuschelabend fern geblieben. „Das hätte ich nicht gewollt, auch andersherum nicht“, sagt er. Andere Teilnehmer sehen das ähnlich. „Als ich in einer Beziehung war, habe ich das auch nicht gebraucht“, sagt Christoph. Reinhard und Margarete bilden hier die Ausnahme. Sie sind das einzige Paar, das heute zusammen auf den Kuschelabend gekommen ist. Die beiden haben sich vor vier Jahren auf einem der Abende kennengelernt. Seitdem sind sie zusammen und besuchen zu zweit die Gruppe. Margarete setzt sich zum Interview neben mich aufs Sofa. Sie wirkt entspannt und zufrieden. „Heute am 19. April vor vier Jahren haben wir uns hier kennengelernt“, erzählt Margarete. Reinhard und Margarete kuscheln nie miteinander, wenn sie den Kuschelabend besuchen. „Paare, die zusammen kommen, möchten meist Erfahrungen mit anderen Kuschelteilnehmern machen“, erklärt Maria Schaub. Auf die provokative Frage, ob der Abend nicht ein wenig an einen Abend im Swingerclub erinnern würde, nur ohne Sex, reagiert Schaub gelassen. „Nein das ist was ganz anderes“, sagt sie und grenzt dabei ab: „Zu Intimitäten kommt es hier nicht.“ Kuschelenergie, Absichtslosigkeit, Bewusstsein, sich angenommen fühlen. Das sind Worte, die Schaub häufig verwendet, wenn sie über ihre Kuschelgruppe spricht. Die Idee dafür hatte sie 2007 und veranstaltete daraufhin ihre erste Kuschelgruppe im Tübinger Sudhaus. Dann hörte sie von einer Freundin, dass diese Bewegung schon existiert und es in Berlin sogar eine Ausbildung dafür gibt. Schaub war dann eine der ersten, die sich in Berlin zur Kuscheltrainerin ausbilden ließ. Davor arbeitete die Kuscheltrainerin an einer Tübinger Klinik als Ergotherapeutin. „Ich bin ein körperbezogener Mensch“, sagt sie, wenn sie über die Gründe gefragt wird, die sie dazu bewogen haben, Kuscheltrainerin zu werden. „Es ist neurophysiologisch belegt, dass bei Berührungen Kräfte mobilisiert werden“, erläutert Schaub. Der Körper schüttet bei Berührungen Glückshormone aus. Der Herzschlag wird verlangsamt, das Immunsystem gestärkt. Sogar Schmerzen können gelindert werden. Wenn man den Faden weiterspinnt, könnte man annehmen, dass die Krankenkassen Kuschelabende finanzieren würden. „Wir haben tatsächlich schon Teilnehmer gehabt, die von ihrem Psychotherapeuten zur Kuschelgruppe geschickt wurden“, erzählt Schaub. Die Kosten dafür übernehmen die Kassen jedoch nicht. 20 Euro kostet ein Abend. „Energieausgleich“ nennt sich das im Kuscheljargon. Thomas sitzt in einem gemütlichen, weiten Baumwollpullover und einer grauen Jogginghose auf dem Sofa. Die Schuhe hat er gegen Wollsocken getauscht. Er ist extra aus Braunschweig angereist und besucht Kuschelgruppen in ganz Deutschland. Wie alle anderen war auch er Single, als er von der Kuschelgruppe erfuhr. „Ich habe kein Problem, mit Frauen zu kuscheln. Bei Männern ist das ein bisschen schwierig“, gibt er zu. „Ich würde von mir aus nicht auf die Idee kommen, zu einem Mann zu gehen und mit ihm zu kuscheln.“ Frauen untereinander wären da unkomplizierter, meint Thomas. Kann es auf so einem Abend nicht auch leicht zu Konflikten kommen? Zum Beispiel, wenn einer mehr will, als der andere? Nein, es wäre noch nie zu einer Eskalation gekommen, sagt Schaub. „Männer machen vielleicht aus lauter Unsicherheit ganz viel“, sagt Schaub. „Das ist dann manchmal zu viel.“ Dann würde sie auch mal hingehen, eingreifen und den Mann darauf hinweisen. „Wenn ich eine Berührung nicht mag, drehe ich mich erstmal weg“, erzählt Thomas. „Wenn das nicht reicht, verschiebe ich die Hand entweder oder schiebe sie ganz weg.“ „Grenzen mitzuteilen ist das A und O des Kuschelabends“, lässt Christoph verlauten. „Die sind ja auch individuell verschieden.“ Und wenn einer einfach nur passiv da liegt und sich kuscheln lässt, gibt es dann nicht mal Unmut unter den anderen Teilnehmern? „Der liegt dann halt vielleicht eine Weile alleine da“, sagt Schaub. Manch einer ist auch zufrieden, wenn er nicht so viel gekuschelt wird. „Geben gibt mir mehr als nehmen“, erklärt etwa Reinhard, der Partner von Margarete. Das Gros der Leute, die die Kuschelgruppe in Tübingen besuchen ist 40 Jahre und aufwärts. „Unsere jüngste Teilnehmerin war 20 und die älteste 70“, sagt Schaub. Wenn sich die Tübinger Kuschelgruppe trifft, dann dauert eine Kuschelsession schon mal vier Stunden. „Die meisten können nicht genug bekommen“, lacht Schaub. „Da muss ich dann auch mal mit einem Eimer kalten Wasser drohen.“ „An so einem Abend wird viel gelacht“, erzählt Schaub. Doch würde es auch, wenn auch selten, passieren, dass ein Teilnehmer in Tränen ausbricht. „Bei den Berührungen kann auch Schmerz hochkommen“, erklärt die Kuscheltrainerin. Da würde dem Teilnehmer dann bewusst werden, dass er, manchmal ein Leben lang, solche Berührungen vermisst hat. Wer einmal einen Kuschelabend in Tübingen besuchen möchte, bekommt hier weitere Informationen.
URL: http://www.swp.de/ulm/nachrichten/vermischtes/Tuebinger-Ergotherapeutin bietet- Kuschelabende-an;art4304,807529
Autor: SWP | 21.01.2011 Tübinger Ergotherapeutin bietet Kuschelabende an
Maria Schaub, gelernte Ergotherapeutin, bietet in Tübingen so genannte Kuschelabende an. Körperliche Nähe sei ein Grundbedürfnis, das Kinder wie Erwachsene, Singles wie Paare brauchten."Doch es kommt heute zu kurz", findet die Trainerin. Ihre Kuschelabende, zu denen viele Menschen kommen, belegen es. "Dieses Sich-Fallen-Lassen und die Geborgenheit spüren", beobachtet Schaub, ist das, was Männer und Frauen dort wieder entdecken wollen. Eine spürbare Begegnung, wie das Sich- Drücken oder die Berührungen von Haut an Haut, können die Teilnehmer und Teilnehmerinnen ausprobieren. Mit einer Vorstellungsrunde, Tanz und anderen Auflockerungen beginnt der Abend. Erst dann werden die Matratzen ausgelegt, und es geht los. epd www.nationalhuggingday.com
SPIEGEL ONLINE - Wissenschaft
Muskelschwund: Kuschelhormon hilft alten Mäusen Corbis
Mäuse im Labor: Fehlen von Oxytocin führt zu frühzeitigem Muskelschwund
Der Signalstoff Oxytocin hilft bei Mäusen gegen altersbedingten Muskelabbau. Auch bei der Regeneration nach Verletzungen war die Substanz in einem Versuch hilfreich. Forscher hoffen auf neue Ansatzpunkte bei Therapien für kranke Menschen.
Mittwoch, 11.06.2014 – 09:49 Uhr
Kaum ist die 30 überschritten, geht's bergab: Was vorher straff und fest war, beginnt zu schwächeln. Mit zunehmendem Alter kann sich das menschliche Gewebe immer schlechter regenerieren, schreiben Forscher um Christian Elabd von der University of California im Fachjournal "Nature Communications". Die Abnahme von Muskelmasse beginnt demnach bereits mit dem 30. Lebensjahr. Ab einem Alter von 50 Jahren beschleunigt sich der Vorgang, Stärke und Beweglichkeit lassen nach.
Auch der Oxytocin-Spiegel sinkt mit fortschreitendem Alter. Bekannt ist die Bedeutung des sogenannten Kuschelhormons bei der Geburt, beim Stillen und für soziale Verhaltensweisen wie Bindung und Vertrauen. Mit dem altersbedingten Muskelabbau sei das Hormon bisher kaum in Verbindung gebracht worden - womöglich zu Unrecht.
Die Forscher verabreichten in ihren Versuchen älteren Mäusen Oxytocin - und jüngeren Mäusen ein Mittel, das die Funktion des Hormons hemmt. Dann beobachteten sie jeweils die Reaktion des Organismus auf ein Gift, das den Herzmuskel angreift. Bisher keine effektive Therapie gegen Muskelabbau
Ihr Ergebnis: Die Zugabe von Oxytocin förderte die Muskelregeneration bei den älteren Mäusen und auch bei den jüngeren Mäusen, denen der Oxytocin-Antagonist gegeben wurde. War bereits genug Oxytocin im Blutkreislauf vorhanden, hatte das künstlich zugeführte Hormon keinen zusätzlichen Effekt.
Die Forscher zeigten zudem, dass ein Fehlen des Hormons aufgrund eines genetischen Defekts bei Mäusen zu frühzeitigem Muskelschwund führt. Die Wissenschaftler vermuten, dass das Hormon auch beim Menschen ein entscheidender Faktor bei der Erhaltung und Erneuerung der Skelettmuskulatur sein könnte.
Bisher gibt es den Studienautoren zufolge keine effektive Therapie, altersbedingten Muskelabbau zu behandeln oder ihm vorzubeugen. Möglicherweise biete sich eine regelmäßige Aufnahme von Oxytocin etwa in Form eines Nasensprays an, mutmaßen die Forscher. Ob dies tatsächlich eine Option wäre, muss allerdings erst in weiteren Studien geprüft werden. Der Einsatz des Hormons wird bereits bei Autismus, Osteoporose und Depressionen erforscht.
anf/dpa
Südwestpresse 19.1.2011
Sich einfach fallen lassen
Am 21. Januar ist der „Tag des Kuschelns“, der auf den amerikanischen Pfarrer Kevin Zaborney zurück geht. Das gesamte Jahr über bietet Maria Schaub im Tübinger Sudhaus Kuschelabende an.
Birgit Vey
Tübingen. „Das Kuscheln kommt heute zu kurz“, findet Maria Schaub. Denn: Schnell würden Körperkontakte zwischen Erwachsenen im Sexuellem landen. Genau darum geht es an ihrem Kursabend nicht: Der Intimbereich ist tabu und Küsse sind verboten. Und viele kommen: Aus Heilbronn, Pforzheim und Stuttgart reisen Interessierte an.
Weil nicht nur Katzen gerne kuscheln, hilft Maria Schaub den Teilnehmern ihrer Seminare, Berührungsängste abzubauen.
„Dieses Sich-Fallen-Lassen und die Geborgenheit spüren“ ist es, was Männer und Frauen nach der Beobachtung der Gomaringerin wieder entdecken wollen. Eine warme Begegnung wie das Drücken oder die Berührungen von Haut an Haut können die Teilnehmer und Teilnehmerinnen bei Schaub ausprobieren. Das kommt an. „Vor kurzem bildete sich ein großer Frauenhaufen, der sich gar nicht mehr trennen wollte“, erzählt die gelernte Ergotherapeutin. So ist es manchmal nicht einfach, nach dem vierstündigen Kurs ein Ende zu finden. „Da muss man schon mal mit kaltem Wasser drohen“, schmunzelt sie.
„Vor allem Männer nehmen teil“, berichtet Schaub. Die Kursleiterin vermutet, dass die Herren verstärkt kommen, weil nahe und herzliche Umarmungen unter Männern nicht die Regel sind. Ein weiterer Grund könnte darin liegen, dass „Männer beim Kuschelabend nicht unter Leistungsdruck stehen und nicht imponieren müssen“. Denn über Beruf und Stellung wird nicht geredet. Der Kuschelabend beginnt mit einer Vorstellungsrunde, Tanz und anderen Auflockerungen. Erst dann werden die Matratzen ausgelegt und los geht’s. Beobachtend steht die Leiterin dabei. Nur gelegentlich „lege ich mich dazu“. „Das macht total Spaß“, findet Schaub und zeigt zum Beweis Bilder von Teilnehmern. Entspannt liegen Alt und Jung zusammen, die Gesichter strahlen ein sich Wohlfühlen aus. Auch wirken die Kuschelstunden nach. „Die Berührungen werden in der Familie und bei Freunden ausprobiert“, stellt Schaub fest.
Neben Verheirateten besuchen Singles die Kuschelabende. Und zwischen denen kann es schon mal so richtig funken. So bekam Schaub vor kurzem eine Mail von einer Teilnehmerin, die jetzt mit einem Mann zusammen ist, den sie beim Kuscheln kennen gelernt hatte.
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